In einem Perspektivenartikel der Zeitschrift
Nature beschreiben Forscher aus Afrika, Amerika, Asien, Australien und Europa erstmals, wie künstliche Intelligenz (KI) die Erforschung von Infektionskrankheiten revolutionieren und die Pandemievorsorge verbessern kann.
In den nächsten fünf Jahren könnte die Integration von KI in nationale Interventionssysteme es ermöglichen, den Ausbruchsort und den Verlauf von Epidemien vorherzusagen und damit mehr Leben zu retten. Eine internationale Forschergruppe fordert eine bessere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Regierung und Industrie, um den sicheren, verantwortungsvollen und ethischen Einsatz von KI in der Erforschung von Infektionskrankheiten zu gewährleisten.
Eine am 20. Februar 2025 in
Nature veröffentlichte Studie beschreibt erstmals, wie Fortschritte in der KI dazu beitragen können, die Forschung zu Infektionskrankheiten und die Maßnahmen bei Ausbrüchen zu beschleunigen.
Die Studie ist das Ergebnis einer Partnerschaft zwischen Forschern der Universität Oxford, der Universität Kopenhagen und des Pasteur-Instituts in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Wissenschaft, Industrie und Politik in Afrika, Amerika, Asien, Australien und Europa, die zu Zusammenarbeit und Transparenz sowohl bei Datensätzen als auch bei KI-Modellen aufrufen.
Bisher konzentrierten sich die medizinischen Anwendungen von KI hauptsächlich auf die individuelle Patientenversorgung, beispielsweise durch die Verbesserung klinischer Diagnosen, Präzisionsmedizin oder die Unterstützung therapeutischer Entscheidungen.
Die vorliegende Studie hingegen untersucht den Einsatz von KI für die Bevölkerungsgesundheit. Die Arbeit zeigt, dass die jüngsten Fortschritte in den KI-Methoden diese trotz bisher begrenzter Datenmengen immer effektiver machen. Die verbesserte Leistung von KI bei der Verarbeitung von verrauschten und begrenzten Daten eröffnet neue Möglichkeiten, um die Gesundheit in Ländern mit hohem und niedrigem Einkommen zu verbessern.
Der Hauptautor, Professor Moritz Kraemer vom Institut für Pandemiewissenschaften der Universität Oxford, erklärt: "
In den nächsten fünf Jahren könnte KI die Pandemievorsorge revolutionieren. Durch die Nutzung der regelmäßig gesammelten Terabytes an klimatischen und sozioökonomischen Daten wird sie uns helfen, den Ausbruchsort und den Verlauf von Epidemien besser vorherzusagen. Sie könnte es uns auch ermöglichen, ihre Auswirkungen auf jeden Patienten durch die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen dem Immunsystem und neu auftretenden Krankheitserregern vorherzusehen. In Kombination mit den Interventionssystemen der Länder könnten diese Fortschritte Leben retten und die Welt besser auf zukünftige Pandemiebedrohungen vorbereiten."
Die Forschung hat folgende Chancen im Bereich KI und Pandemievorsorge identifiziert:
- Vielversprechende Fortschritte bei der Verbesserung aktueller Modelle zur Krankheitsausbreitung für eine robustere, präzisere und realistischere Modellierung.
- Fortschritte bei der Lokalisierung von Gebieten mit hohem Übertragungspotenzial, die eine effiziente Zuteilung begrenzter Gesundheitsressourcen ermöglichen.
- Möglichkeit zur Verbesserung genetischer Überwachungsdaten von Krankheiten, was die Entwicklung von Impfstoffen und die Identifizierung neuer Varianten beschleunigt.
- Potenzielle Hilfe bei der Identifizierung der Eigenschaften neuer Krankheitserreger, der Vorhersage ihrer Merkmale und der Bestimmung der Wahrscheinlichkeit von Artensprüngen.
- Vorhersage des Auftretens neuer Varianten zirkulierender Erreger wie SARS-CoV-2 und Influenzaviren sowie der besten Behandlungen und Impfstoffe, um ihre Auswirkungen zu verringern.
- Möglichkeit der KI-gestützten Integration von Bevölkerungsdaten mit individuellen Datenquellen wie Herzfrequenzmessgeräten und tragbaren Schrittzählern, um Ausbrüche besser zu erkennen und zu überwachen.
- Schaffung einer neuen Schnittstelle durch KI zwischen hochtechnisierter Wissenschaft und Gesundheitsfachkräften mit begrenzter Ausbildung, um die Kapazitäten der Einrichtungen zu stärken, die diese Tools am dringendsten benötigen.
Die Fortschritte in der KI werden jedoch nicht alle Aspekte der Pandemievorsorge und -bekämpfung gleichermaßen beeinflussen. Während beispielsweise Proteinsprachmodelle vielversprechend sind, um den Einfluss von Virusmutationen auf die Ausbreitung und Schwere von Krankheiten schneller zu verstehen, könnten Fortschritte in grundlegenden Modellen nur bescheidene Verbesserungen gegenüber bestehenden Ansätzen zur Modellierung der Erregerausbreitungsgeschwindigkeit bieten.
Die Forscher warnen davor, sich allein auf KI zur Bewältigung der Herausforderungen von Infektionskrankheiten zu verlassen, schlagen aber vor, dass die Integration menschlicher Rückmeldungen in KI-Modellierungsprozesse helfen könnte, bestehende Grenzen zu überwinden.
Die Autoren sind besonders besorgt über die Qualität und Repräsentativität der Trainingsdaten, die eingeschränkte Zugänglichkeit von KI-Modellen für die breitere Gemeinschaft und die potenziellen Risiken, die mit dem Einsatz von Black-Box-Modellen für Entscheidungsprozesse verbunden sind.
Studienautor Professor Eric Topol, Gründer und Direktor des Scripps Research Translational Institute, fügt hinzu: "
KI bietet ein enormes transformatives Potenzial zur Eindämmung von Pandemien, aber sie erfordert eine breite internationale Zusammenarbeit und umfassende, kontinuierliche Überwachungsdaten."
Mitautor Samir Bhatt von der Universität Kopenhagen ergänzt: "
Ausbrüche von Infektionskrankheiten bleiben eine ständige Bedrohung, aber KI bietet politischen Entscheidungsträgern neue, leistungsstarke Tools, um fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, wann und wie sie eingreifen sollen."
"
KI bietet viele Möglichkeiten, die Reaktion auf Ausbrüche und Pandemien zu verbessern. In Bezug auf die Forschung sollten die kommenden Jahre, in denen wir untersuchen, wie wir diese neuen Technologien optimal nutzen können, besonders spannend sein."
Die Autoren schlagen strenge Bewertungskriterien für KI-Modelle vor und befürworten eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierung, Gesellschaft, Industrie und Wissenschaft für die nachhaltige und praktische Entwicklung von Modellen zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit.