Die Langsamkeit menschlichen Denkens sprengt alle Vorstellungen. Während unsere Sinne in der Lage sind, pro Sekunde ungefähr eine Milliarde Informationen aufzunehmen, beschränken sich unsere mentalen Prozesse auf eine bescheidene Geschwindigkeit: nur 10 binäre Informationen pro Sekunde (10 Bit). Dieser überraschende Kontrast eröffnet viele Fragen zu den tatsächlichen Fähigkeiten unseres Gehirns.
Laut einer in
Neuron veröffentlichten Studie, die von Forschern des California Institute of Technology durchgeführt wurde, arbeitet unser Gehirn deutlich langsamer als unsere sensorischen Rezeptoren. Letztere verarbeiten nämlich eine Milliarde Bit pro Sekunde, also hundert Millionen Mal mehr als unsere Gedanken. Die Wissenschaftler verwendeten Methoden, die von der Informationstheorie inspiriert sind, um zu diesen überraschenden Ergebnissen zu gelangen.
Trotz der Fähigkeit der Neuronen, riesige Mengen an Daten zu übertragen, werden nur wenige Informationen von unserem bewussten Geist aufgenommen. Dieses seltsame “Geschwindigkeitslimit” lässt vermuten, dass das Gehirn sensorische Daten filtert, um nur das Wesentliche zu bewahren. Aber warum diese Langsamkeit? Die Forscher betonen, dass diese Einschränkung das Ergebnis der Evolution sein könnte.
Die ersten Organismen mit einem Nervensystem nutzten ihre kognitiven Fähigkeiten, um sich in ihrer Umwelt zu orientieren und Raubtieren zu entkommen. Dieses auf eine einzelne “Gedanke” zugleich ausgerichtete Modell könnte im Lauf der menschlichen Evolution erhalten geblieben sein. Tatsächlich, so die Forscher, funktioniert das Gehirn wie ein System, das in einem konzeptionellen Raum navigiert und nicht in der Lage ist, mehrere Gedankenströme parallel zu verarbeiten.
Die Auswirkungen sind tiefgreifend. Wenn unsere Gedanken so langsam sind, wie lassen sich dann die menschlichen Leistungen in Planung und Problemlösung erklären? Eine vorgeschlagene Hypothese besagt, dass das Gehirn diese 10 Bit auf wichtige Situationen optimiert und so die Qualität der getroffenen Entscheidungen maximiert.
Diese Langsamkeit steht in starkem Kontrast zu den Erwartungen, die durch neue Technologien geweckt wurden. Gehirn-Maschine-Schnittstellen, die oft als Werkzeuge vorgestellt werden, um die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung zu erhöhen, könnten weniger effektiv sein als erhofft. Wenn das Gehirn auf 10 Bit pro Sekunde beschränkt ist, wird keine Schnittstelle diese natürliche Barriere überwinden können.
Darüber hinaus haben die Forscher berechnet, dass bei dieser Geschwindigkeit das gesamte Wissen, das ein Mensch im Laufe seines Lebens erwirbt, auf einen einfachen USB-Stick passen könnte. Diese Realität relativiert die Idee, dass unser Gehirn ein Supercomputer ist.
Zukünftige Forschungen müssen die genauen Mechanismen dieses Filterprozesses entschlüsseln. Wie entscheidet das Gehirn, welche Informationen es aus den Milliarden von unseren Sinnen erfassten behält? Diese Frage bleibt offen, könnte aber unser Verständnis von menschlichem Bewusstsein neu definieren.