Quantenkausalität: was, wenn die Reihenfolge der Ereignisse im Kleinstmaßstab verschwände? ⏳

Veröffentlicht von Adrien,
Quelle: The Conversation unter Creative-Commons-Lizenz
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Seit etwas mehr als einem Jahrzehnt untersuchen Physiker ein seltsames Phänomen der Quantenwelt. Im kleinsten Maßstab könnte es sein, dass die zeitliche Reihenfolge zwischen verschiedenen Ereignissen nicht immer klar definiert ist.

Die Quantenphysik beschreibt die mikroskopische Welt mit beeindruckender Präzision. Ihre Vorhersagen wurden bisher noch nie durch Experimente widerlegt. Sie ist jedoch auch bekannt für ihre Seltsamkeiten.


Mikroskopische Objekte verhalten sich tatsächlich auf eine gegenintuitive Weise. Erstens können ihre Eigenschaften (wie Position und Geschwindigkeit) manchmal nur bestimmte, präzise Werte annehmen. Um eine Analogie mit unserer makroskopischen Welt zu machen: Es ist, als ob wir uns auf einer geraden Linie nur in Sprüngen von einem Meter bewegen könnten, ohne jemals eine Zwischenposition einnehmen zu können.

Zweitens scheinen zwei Einheiten sich über große Entfernungen hinweg beeinflussen zu können, mit Geschwindigkeiten, die höher sind als die des Lichts. Schließlich haben bestimmte Objekte Eigenschaften (wie ihre Position oder Geschwindigkeit), die sich in "quantischen Superpositionen" mehrerer Werte befinden. Was bedeutet es für ein Objekt, sich in einer "Superposition" mehrerer Positionen zu befinden? Ist das Objekt nirgendwo? Überall gleichzeitig? Diese Fragen beschäftigen Physiker und Philosophen seit Jahrzehnten.

Eine weitere Seltsamkeit in der Quantenwelt


Dennoch sind im vergangenen Jahrzehnt neue Entdeckungen ans Licht gekommen, die das Problem noch komplexer machen. Arbeiten von Physikern aus der ganzen Welt deuten darauf hin, dass, wenn zwei Ereignisse in der Quantenwelt stattfinden, die zeitliche Reihenfolge dieser Ereignisse manchmal undefiniert ist.

In unserem Maßstab ist es immer möglich zu sagen, ob eine Person zuerst geniest hat und sich dann entschuldigte oder umgekehrt. Die Quantenphysik scheint jedoch darauf hinzuweisen, dass in kleinem Maßstab gelegentlich keine dieser Möglichkeiten korrekt sein könnte.


Die zeitliche Reihenfolge verschiedener Ereignisse ist jedoch eng mit den kausalen Beziehungen verknüpft. Tatsächlich muss eine Ursache immer ihrem Effekt vorangehen. Wenn also die zeitliche Reihenfolge verschiedener Ereignisse undefiniert ist, könnte dies auch für ihre kausale Reihenfolge gelten.

Wie kann man eine Welt verstehen, in der Dinge nicht in einer wohldefinierten Reihenfolge ablaufen? Diese Frage stellt eine Herausforderung für die Philosophen der Wissenschaft dar. Gewagte Antworten werden sicherlich vorgeschlagen, und möglicherweise müssen wir unser physikalisches Weltbild grundlegend überdenken.

Ein verblüffendes Experiment


Die undefinierten kausalen Reihenfolgen können im Labor beobachtet werden, zum Beispiel mithilfe des "Quantum Switch", eines sehr speziellen experimentellen Aufbaus, der bereits mehrfach realisiert wurde. Schauen wir uns eine dieser experimentellen Umsetzungen genauer an: Zwei Experimentatoren führen jeweils eine Operation an ein und demselben Lichtteilchen durch, einem sogenannten Photon.

Diese Manipulationen bestehen beispielsweise darin, eine Eigenschaft dieses Photons zu verändern, die "räumlicher Modus" genannt wird. Die Reihenfolge der beiden Operationen wird nicht von den Wissenschaftlern selbst bestimmt, sondern durch den Wert einer anderen Eigenschaft des Photons, der sogenannten "Polarisation".

Wenn die Polarisation des Photons in einer "quantischen Superposition" zweier verschiedener Werte vorliegt, und nachdem ein dritter Experimentator diese Polarisation am Ende des Experiments gemessen hat, kann das gesamte experimentelle Arrangement weder durch das Szenario beschrieben werden, bei dem das Teilchen zuerst von dem einen Experimentator manipuliert wurde, bevor es zum zweiten geschickt wurde, noch durch das umgekehrte Szenario.

Diese faszinierenden Forschungen stehen erst am Anfang. Sie werden es ermöglichen, das Verhalten von zeitlichen oder kausalen Beziehungen im kleinsten Maßstab in der Quantenwelt zu untersuchen. Es ist wichtig, die Bedeutung der Abwesenheit einer zeitlichen oder kausalen Reihenfolge zwischen den Ereignissen zu verstehen. Denn die Reihenfolge der Ereignisse in der Zeit (und im Raum) bildet die Grundlage, auf der der Mensch sein Verständnis von allem aufbaut.

Wenn beispielsweise ein Gegenstand nach einem Fall zerbricht, erklären wir dies durch seinen Aufprall auf den Boden, nachdem er eine bestimmte Flugbahn durch die Luft verfolgt hat. Ebenso wird die Geschichte der Menschheit erzählt, indem eine kontinuierliche Abfolge von Ereignissen entfaltet wird, die an verschiedenen Orten der Welt zu bestimmten Zeitpunkten stattfanden.

Um unsere klassischen Denkweisen beizubehalten, müssen wir daher verstehen, was aus den Konzepten von Zeit und Raum in der Quantenwelt wird. Es muss ebenso ihre mögliche Abwesenheit verstanden werden. Um diese Fragen zu beantworten, überlegen einige Philosophen und Physiker, ob die Zukunft die Vergangenheit beeinflussen könnte. Andere denken darüber nach, dass Zeit und Raum lediglich das "Abfallprodukt" fundamentalerer Phänomene sein könnten, deren Natur noch zu verstehen ist.


Springt der Tropfen wieder auf, bevor er aufsetzt?
Elias Kauerhof/Unsplash, CC BY

Schließlich könnte sich die Entdeckung des "Quantum Switch" und der undefinierten kausalen Reihenfolgen als nützlich im Bereich der Quanteninformatik und für die Entwicklung zukünftiger "Quantencomputer" einer neuen Art erweisen. Tatsächlich könnte die Existenz dieser Phänomene genutzt werden, um neue Aufgaben zu realisieren. Sie könnten auch ermöglichen, bestimmte Berechnungen effizienter durchzuführen als mit herkömmlicheren Quantencomputern.

Damit versprechen die jüngsten Forschungen in der Quantenphysik potenzielle Revolutionen, sowohl auf philosophischer als auch auf technologischer Ebene.

Von Laurie Letertre – Doktorandin in Philosophie der Physik, Universität Grenoble Alpes (UGA).
Cyril Branciard, Forscher am CNRS, hat diesen Artikel Korrektur gelesen, wofür die Autorin ihm dankt.