Die erstaunlichen Kommunikationsmittel der Pflanzen
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Von Sven Batke - Associate Head of Research and Knowledge Exchange - Reader in Plant Science, Edge Hill University
Die Art und Weise, wie Pflanzen kommunizieren, hat wenig mit unserer zu tun. Und doch sind es regelrechte stille Gespräche, die unter der Erde, im Schatten des Waldes stattfinden...
Heute Morgen kam meine sechsjährige Tochter in unser Schlafzimmer und begann, eine Geschichte aus einem Buch vorzulesen. Sie folgte jedem Wort auf der Seite und formte langsam vollständige Sätze. Manchmal stolperte sie über Worte und bat um Hilfe bei einigen „komischen Wörtern“, aber am Ende des Buches hatte sie uns die Geschichte eines Bären im Schnee erzählt.
Aber nicht nur Menschen und andere Tiere haben raffinierte Kommunikationsmittel entwickelt. Viele Menschen halten Pflanzen für passive Wesen, aber sie haben ihre eigene Art der Interaktion. Diese Idee existiert schon lange und inspirierte sogar Filme aus Hollywood, wie etwa „Avatar“.
Diese Kommunikationsnetze sind empfindlich und anfällig. Stellen Sie sich vor, wie sehr unsere Welt gestört würde, wenn alle globalen Netzwerksysteme plötzlich zusammenbrechen würden. Die jüngsten Computerausfälle bei CrowdStrike sind nur ein Beispiel für die Fragilität dieser Systeme und ihre Bedeutung für unsere Kommunikationsmittel. Dasselbe gilt für Pflanzen.
Um zu verstehen, wie Organismen, die nicht sprechen können, Informationen austauschen, ist es wichtig zu begreifen, dass auch Menschen auf nicht-verbale Weise kommunizieren. Das geschieht über unsere Sinne: Sehen, Riechen, Hören, Schmecken und Fühlen.
Beispielsweise fügen Erdgasunternehmen dem Erdgas eine Chemikalie namens Mercaptan hinzu, die ihm den charakteristischen Geruch fauler Eier verleiht, um uns vor Lecks zu warnen. Denken Sie auch an die Entwicklung der Gebärdensprache sowie an die vielen Menschen, die Lippen lesen können.
Neben diesen Sinnen besitzen wir auch die Gleichgewichtswahrnehmung (die Fähigkeit, das Gleichgewicht und die Körperhaltung aufrechtzuerhalten), die Propriozeption (das Gefühl für die relative Lage und Stärke der verschiedenen Teile unseres Körpers), die Thermozeption (das Erfassen von Temperaturveränderungen) und die Nozizeption (die Fähigkeit, Schmerz zu empfinden). All diese Fähigkeiten haben es dem Menschen ermöglicht, auf raffinierte Kommunikationsmittel zurückzugreifen.
Andere Spezies, insbesondere Pflanzen, nutzen ihre Sinne, um Informationen auf ihre Weise zu verbreiten.
Pflanzen, echte Tratschtanten
Die meisten von uns kennen den Geruch frisch gemähten Grases. Die von den Grashalmen freigesetzten flüchtigen Substanzen, die wir mit diesem Geruch assoziieren, sind eine der Möglichkeiten, wie diese Pflanzen anderen nahegelegenen Pflanzen die Anwesenheit eines Fressfeindes – oder in diesem Fall eines Rasenmähers – mitteilen. Anstatt auf akustische Signale zurückzugreifen, verwenden Pflanzen chemische Stoffe zur Kommunikation. Doch die Kommunikation der Pflanzen endet nicht bei flüchtigen Substanzen.
Kürzlich entdeckten Forscher, wie stark Pflanzen miteinander verbunden sind. Sie können Nachrichten an ihre Artgenossen über ihre Wurzeln, durch elektrische Signale, unterirdische Pilznetzwerke und sogar durch Bodenmikroben übermitteln. So hat man festgestellt, dass Pflanzen tatsächlich wahre tratschsüchtige Wesen sind.
Zum Beispiel durch die relativ neue wissenschaftliche Disziplin der Elektrophysiologie, die untersucht, wie elektrische Signale in und zwischen Pflanzen kommuniziert und interpretiert werden. Dank der enormen technologischen Fortschritte und der künstlichen Intelligenz (KI) hat sich dieses Forschungsfeld in den letzten Jahren rasant entwickelt.
Womöglich stehen Wissenschaftlern bald neue Entdeckungen bevor. Kürzlich wurden Fortschritte gemacht, um diese elektrische Signalübertragung von Pflanzen im Gewächshaus zu nutzen, um die Bewässerung von Kulturen zu steuern oder ihren Nährstoffbedarf zu erkennen.
Praktisch gesehen platzieren die Wissenschaftler auf Pflanzen kleine elektrische Sonden, ähnlich wie Akupunkturnadeln, um zu testen, wie sich Veränderungen der elektrischen Signale auf verschiedene Schlüsselparameter auswirken, wie den Wassertransport, die Nährstoffversorgung und die Umwandlung von Licht in Zucker.
Die Forscher haben es sogar geschafft, das Verhalten von Pflanzen zu beeinflussen, indem sie elektrische Signale von Mobiltelefonen aussandten. So konnten sie die Blätter einer berühmten fleischfressenden Pflanze, der Venusfliegenfalle, öffnen und schließen lassen.
Vielleicht werden wir bald in der Lage sein, die Sprache unserer Kulturen vollständig zu übersetzen.
Ein unterirdisches Internet im Wald
Ein großer Teil der Kommunikation zwischen Pflanzen findet unter der Erde statt und wird durch riesige Pilznetzwerke ermöglicht, die als „Wood Wide Web“ bekannt sind. Dieses Netzwerk aus Pilzen, das den Waldboden durchzieht, verbindet Bäume und Pflanzen untereinander und ermöglicht es ihnen, Ressourcen wie Wasser, Nährstoffe und Informationen zu teilen. Ältere Bäume können dadurch jüngeren helfen beim Wachsen, und die Bäume können sich gegenseitig vor Gefahren, wie z. B. Schädlingen, warnen.
Es handelt sich um eine Art unterirdisches Internet für Bäume und Pflanzen, das ihnen hilft, sich gegenseitig zu unterstützen und zu kommunizieren. Das Netzwerk ist weitläufig: Mehr als 80 % der Pflanzen sollen verbunden sein, was es zu einem der ältesten Kommunikationssysteme der Welt machen würde.
So wie das Internet uns ermöglicht, uns zu verbinden, Ideen, Wissen und Informationen zu teilen, die unsere Entscheidungsfindung beeinflussen können, erlaubt das „Wood Wide Web“ Pflanzen, symbiotische Pilze zu nutzen, um sich auf Umweltveränderungen vorzubereiten.
In diesem Zusammenhang können der Einsatz von Bodenkemikalien, Entwaldung und der Klimawandel diese Art der Kommunikation stören, indem sie den Wasserkreislauf und den Nährstofftransport beeinträchtigen. Mit anderen Worten: Diese neuen Bedrohungen machen Pflanzen weniger informiert und weniger vernetzt. Es wurde jedoch noch nicht viel über die Auswirkungen dieser Netzstörungen geforscht.
Doch wir wissen, dass Abwehrreaktionen von Pflanzen und die Regulation ihrer Gene durch ihr Pilznetzwerk verändert werden können, wenn sie daran angeschlossen sind.
Solche Kommunikationsunterbrechungen könnten sie also anfälliger machen und die weltweite Schutz- und Wiederherstellungsarbeit für Ökosysteme erschweren. Es gibt noch viel, was die Wissenschaftler über diese extrem komplexen Netzwerke lernen müssen.
Uns ist bewusst, wie wichtig es ist, Kindern das Lesen beizubringen, damit sie in der Welt um sie herum zurechtkommen können. Ebenso wichtig ist es sicherzustellen, dass wir nicht die Pflanzensprache unterbrechen. Schließlich sind wir auf Pflanzen für unser Wohlbefinden und Überleben angewiesen.