Ist das Gehirn von domestizierten Hunden tatsächlich kleiner als das ihrer wilden Verwandten?
Seit langem behaupten Wissenschaftler, dass die Domestizierung die Gehirngröße bei domestizierten Tieren reduziert. Eine aktuelle Studie stellt diese Hypothese in Frage, indem sie die Gehirngrößen von Hunden mit anderen Caniden vergleicht und zeigt, dass die Domestizierung möglicherweise nicht der entscheidende Faktor ist.
Die Studie, durchgeführt von Forschern des Instituts für Ökologie und Botanik in Ungarn und der Universität Stockholm, verwendet einen phylogenetischen Ansatz, um die Gehirngröße von 25 Canidenarten zu vergleichen. Entgegen der landläufigen Meinung haben domestizierte Hunde im Vergleich zu anderen Caniden keine außergewöhnlich reduzierte Gehirngröße. Dies legt nahe, dass die Domestizierung möglicherweise keine so einzigartige evolutionäre Kraft ist, wie angenommen.
Die Idee, dass die Domestizierung zu einer bemerkenswerten Verringerung der Gehirngröße führt, basiert auf der Vorstellung, dass das häusliche Leben selektive Drücke wie die Nahrungssuche und das Vermeiden von Raubtieren mindert. Doch beim Vergleich der Gehirn- und Körperdaten von domestizierten Hunden mit denen anderer Caniden entdeckten die Forscher, dass die Gehirngrößen der Hunde im Allgemeinen im erwarteten Bereich für die untersuchten Arten liegen.
Unter den faszinierenden Entdeckungen der Studie ragt der Marderhund (Nyctereutes procyonoides) mit einer noch ausgeprägteren Gehirnreduktion heraus. Als Winterschläfer zeigt diese Canidenart eine deutlich kleinere Gehirngröße, was darauf hindeutet, dass ökologische Anpassungen wie der Winterschlaf ebenfalls eine wesentliche Rolle bei der Reduktion der Gehirngröße spielen können.
Allometrische Beziehung zwischen Gehirn- und Körpergröße bei Caniden. Die Punkte stellen artspezifische Schätzungen der Körpermasse und des beobachteten Gehirnvolumens bei 25 Canidenarten dar. Die Linie definiert die erwartete Beziehung zwischen diesen beiden Faktoren laut dem evolutionären Modell. Der domestizierte Hund wird durch einen vollen Punkt hervorgehoben, der den Durchschnitt der Merkmalswerte von 11 alten Rassen darstellt. Die Art Nyctereutes procyonoides wird als Winterschläfer mit der kleinsten Gehirngröße in Anbetracht ihrer Körpergröße identifiziert. Quelle: Laszlo Zsolt Garamszegi. Biology Letters (2024). DOI: 10.1098/rsbl.2024.0336
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, auch wenn die Domestizierung einen Einfluss auf die Gehirngröße bei Hunden hat, sie nicht als exklusiver evolutionärer Faktor betrachtet werden sollte. Andere ökologische und evolutionäre Drücke können ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen und fordern uns heraus, unser Verständnis der Gehirnentwicklung bei Säugetieren zu überdenken.